Im Wartezimmer meines Zahnarztes fand ich in einer Zeitschrift eine interessante Reportage über die Fischland-Darß-Zingst-Region. Zum Glück war eine Karte mit der geographischen Lage abgedruckt. Sonst hätte ich nicht gewusst, wo ich die Region finde. Es war kurz nach der Wende. Inzwischen haben sich meine geographischen Kenntnisse im Osten Deutschlands stark verbessert und ich war mehr als zehnmal in Zingst – meist im Herbst, aber auch im Frühjahr.

Es gibt viele Gründe, warum die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst westlich von Rügen seit Jahren zu den beliebtesten Urlaubszielen an der Ostseeküste gehört. Die weißen Sandstrände begeistern Badeurlauber im Sommer. Die beschaulichen Ortschaften mit alten reedgedeckten Fischerhäusern beeindrucken nicht nur Freunde der maritimen Lebenskultur. Viele Urlauber schätzen auch die Nähe zur Insel Rügen und zu den Städten Rostock und Stralsund. Der Hauptgrund ist aber ohne Zweifel die urwüchsige Natur, der man im Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft auf Schritt und Tritt begegnet.

Quer durch den Nationalpark

Die Halbinsel lässt sich am besten auf dem Fahrrad erkunden. Die gepflegten Fahrradwege Richtung Westen bis Darßer Ort und Richtung Osten bis Pramort führen quer durch den Nationalpark. Die Radtouren sind immer für eine Überraschung gut. Da grasen auf einer Wiese am Fahrradweg hunderte Blässgänse oder fünf Damhirsche überqueren den Radweg.

Die Landschaft verströmt eine herbe Schönheit. Das Meer und der ständige Wind formen die Bäume und drücken ihr einen unverwechselbaren Stempel auf. Aus den drei Inseln Fischland, Darß und Zingst hat sich im Laufe der Jahrhunderte eine Halbinsel gebildet.

Kraniche am Günzer See

Der Höhepunkt ist für mich als Naturfotograf die Rast der Kraniche im Herbst. Der etwa 15 Hektar große Günzer See liegt außerhalb der Halbinsel, zwischen Buschenhagen und Günz. Jährlich legen die Kraniche im Herbst auf ihrem Weg in die Winterquartiere in Südfrankreich, Spanien, Portugal und Nordwestafrika einen Zwischenstopp in der Vorpommerschen Boddenlandschaft ein. Am Günzer See befindet sich in den Herbstmonaten eine sog. Ablenkfütterung. Damit werden die Kraniche von den eingesäten Feldern der Bauern ferngehalten. Diese Maßnahme kommt aber nicht nur den Bauern zugute, sondern auch vielen Naturfotografen und Kranichbeobachtern.

Der NABU hat 2015 eine neue Plattform für die Kranichbeobachtung am Günzer See errichtet. Der geschlossene Bau des „Kranoramas“ verhindert die Störung der Vögel. Die Kraniche werden durch den ausgestreuten Mais oder Weizen nah an die Plattform gelockt, so dass sie gut beobachtet und fotografiert werden können. Bis zu 70.000 Kraniche rasten im Herbst in der Region.

Ein ständiges Kommen und Gehen

Am frühen Morgen, noch vor Sonnenaufgang, fliegen die ersten Kraniche, die in den Flachgewässern der Bodden übernachtet haben, am Günzer See ein. Im warmen Licht der ersten Sonnenstrahlen wirkt das Gefieder der Vögel wie vergoldet. Den ganzen Tag über herrscht ein Kommen und Gehen. Kleine Trupps streichen ab, andere Züge treffen ein. Zwischendurch werden unter den Vögeln kleine Streitigkeiten ausgetragen. Die meiste Zeit aber verbringen die großen grauen Vögel mit der Nahrungsaufnahme. Seine elegante Gestalt, seine leidenschaftlichen Balztänze und sein trompetenartiger Ruf machen den Kranich zu einem besonderen Meisterwerk der Schöpfung.

Eine abwechslungsreiche Kulisse

Ein Tag am Günzer See ist alles andere als langweilig. Zwischendurch lassen sich Graugänse, Blässgänse, Silberreiher, Große Brachvögel und hin und wieder ein Seeadler beobachten. Man trifft am Günzer See neben vielen deutschen Naturfreunden und Naturfotografen auch Besucher aus Holland, Schweden, Österreich und anderen Ländern. Die Beobachtungsplattform ist bei gutem Wetter übervoll. Stative mit teuren Kameras und großen Telekanonen sind dicht aneinandergereiht: Eine Ansammlung wertvoller Hardware, wie man ihr sonst nur bei Bundesligaspielen in den Fußballstadien begegnet.

Die Natur zu entdecken ist eine großartige Erfahrung. Wir finden in der Schöpfung beeindruckende Spuren der Größe Gottes: „Die Natur hat Vollkommenheit um zu zeigen, dass sie das Abbild Gottes ist, und Mängel um zu zeigen, dass sie nur das Abbild Gottes ist.“ (Blaise Pascal,1623–1662)

Lohnende Ausflugsziele (Auswahl):

  • Ostseeheilbad Zingst: Zingst ist der größte Ort auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. Der Ort liegt zwischen der Ostsee und dem Bodden, inmitten des Nationalparks Vorpommersche-Boddenlandschaft. Zingst hat sich von einem kleinen Fischerdorf zu einem attraktiven Seebad entwickelt. Dort widmet man sich seit einigen Jahren auch der Fotografie. Den Höhepunkt bildet das große Umweltfotofestival „horizonte zingst“. Die Fotoschule Zingst bietet ganzjährig Workshops an. (www.zingst.de)
  • Seebad Ahrenshoop: Ahrenshoop befindet sich an der Ostsee- und Boddenküste und hat dadurch Wasser auf beiden Seiten. Einen Besuch wert ist das Dünen-Haus direkt am Meer. Es zählt zu den beliebtesten Fotomotiven der gesamten Ostsee. Die unberührte Natur an der Ostsee zog schon im 19. Jahrhundert zahlreiche Künstler in ihren Bann. In Ahrenshoop fanden sie Motive, Ruhe und gutes Licht. Das Kunstmuseum Ahrenshoop greift diese Tradition auf und zeigt alte und neue Kunst. (www.ostseebad-ahrenshoop.de)
  • Westküste: Am Darßer Weststrand hat sich eine weitgehend unberührte Natur entwickelt. Stürme und Hochwasser führen dazu, dass der Strand sich ständig verändert. Charakteristisch für die Westküste sind die in Windrichtung gewachsenen Bäume, sog. „Windflüchter“. Der Darßer Ort ist die nördlichste Landzunge der Halbinsel Darß. Das gesamte Gebiet kann nur zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit einer Pferdekutsche erreicht werden. Touristische Ziele am Darßer Ort sind das Natureum – eine Außenstelle des Meeresmuseums Stralsund – und der 1847 erbaute 35 Meter hohe Leuchtturm. Ein besonderes Highlight sind die Rothirsche, die von zwei Beobachtungsplattformen am Strand beobachtet werden können. (www.natureum-darss.de)
  • Darßer Haustüren: Bei einem Rundgang durch die Orte Prerow, Born, Wieck und Wustrow entdeckt man zahlreiche alte bunt bemalte Haustüren. Sie werden „Darßer Türen“ genannt, da sie vorrangig auf der einstigen Insel Darß vorkommen. Der Brauch, die Haustüren bunt zu bemalen, geht auf die Seefahrt und das Leben der Seefahrer zurück. Oft ist auf dem Türblatt ein Sonnenaufgang zu sehen, der symbolisch für eine glückliche Rückkehr der Seeleute steht. Stilisierte Blumen symbolisieren Lebensfreude und Lebenskraft, wie der häufig benutzte Lebens- oder Tulpenbaum. Eine kleine Sammlung historischer Türen kann man im Darß-Museum in Prerow besichtigen. (www.ostseebad-prerow.de)
  • Darßer Arche: Mecklenburg-Vorpommerns modernstes Nationalparkzentrum in Wieck informiert auf über 500 qm Ausstellungsfläche mit verschiedenen Medien- und Präsentationsformen über den Nationalpark Vorpommersche Boddenlandschaft. Die Gewalt der Naturkräfte, die zur Entstehung der Darß-Landschaft führten, ist ebenso Thema wie die Beschreibung einzelner Lebensräume.  Regelmäßig finden in der Darßer Arche auch Veranstaltungen und Kinderprogramme statt. (www.nationalpark-vorpommersche-boddenlandschaft.de, www.darsser-arche.de)
  • Freilichtmuseum Klockenhagen: Das Freilichtmuseum liegt im Ribnitz-Damgartener Ortsteil Klockenhagen zwischen Ribnitz und Graal-Müritz. Auf einer Fläche von etwa 6 Hektar befinden sich zurzeit 17 alte Gebäude der Regionen Mecklenburg-Vorpommerns. Einige Häuser stammen aus dem 17. Jahrhundert und wurden in mühsamer Kleinarbeit im Freilichtmuseum wiedererrichtet. Zu den besonderen Gebäuden des Museums gehört eine Bockwindmühle und eine Fachwerk-Dorfkirche. Auf dem Rundgang durch das Freilichtmuseum kann der Besucher im historischen Dorfladen einkaufen. Interessant sind die Ausstellungen in den einzelnen Gebäuden. So vermittelt eine Landarbeiterwohnung mit Stube, Kammer und Stall einen Einblick in die ärmlichen Wohnverhältnisse vor etwa 200 Jahren. (www.freilichtmuseum-klockenhagen.de)